Die GAUwahnen aus Heilbronn sind ein politisches Kabarett, das im Januar 1988 von dem Gymnasiallehrer i.R. und Schriftsteller Dr. Erhard Jöst gegründet wurde. Seitdem bieten sie scharfzüngiges Kleinkunsttheater. 1996 wurden sie in das von Klaus Budzinski und Reinhard Hippen geschriebene und im Stuttgarter Metzler-Verlag erschienene „Kabarett-Lexikon“ aufgenommen.
Spielstätte
Die GAUwahnen hatten vom März 2001 bis zum Mai 2023 in Heilbronn ihre feste Spielstätte im K3-Theaterforum am Berliner Platz. Dort traten sie in jedem Monat am letzten Freitag auf. Als die Pächterin im Jahr 2022 infolge der Pandemie aufgab, verloren die GAUwahnen ihre Spielstätte (siehe dazu den Artikel „Corona killed Kabarett“). Sie treten seitdem im Gewölbekeller des Bürgerhauses Heilbronn-Böckingen und anderswo auf. Sie spielen auch in der Region und unternehmen Gastpielreisen. Veranstalter können das Ensemble engagieren, Gage nach Vereinbarung.
Historisches
Aufgrund einer Landeshymnen-Persiflage, als Leserbrief in der „Heilbronner Stimme“ vom 21.10.1986 veröffentlicht, lässt der damalige Kultusminister Mayer-Vorfelder den Gymnasiallehrer Erhard Jöst von Aufsichtsbeamten überprüfen, ob sein Unterricht „den Anforderungen von Landesverfassung, Schulgesetz und Lehrplan entspricht“.
In Folge dieser „Staatsaktion“ (Südwestpresse vom 6.10.1987) kommt es zu einer Anfrage im baden-württembergischen Landtag und zur bundesweiten Berichterstattung in den Medien (vgl. beispielsweise: „Des Lehrers Hymnen-Persiflage und ihre Folgen“, Stuttgarter Zeitung vom 9.9.1987, „Der Minister und der Volksverhetzer“. In: Stuttgarter Zeitung vom 12.3.91, „Schauder vor solchem Volksherhetzer“, Heilbronner Stimme vom 5.4.1991).
Diese Realsatire gibt den endgültigen Anstoß zur Kabarett-Gründung. Im Jahr 1988 ging es los: Am 29.1. wurden im Kulturkeller „Provinzpossen mit Dixieland“ präsentiert. „Als Resümee wäre zu sagen: Anklänge an ein Kabarett à la Hildebrandt waren schon zu vernehmen. Gerade die Musik und das abwechselnde Rezitieren von Jöst und Stix unterstrichen diese Intention.“ (Artikel „Wie Provinzpossen entstehen. Erhard Jöst beschrieb „Hexenjagd“ mit viel Satire und Musik“. In: Heilbronner Stimme vom 3.2.88).
Im Februar wurden die GAUwahnen gegründet, am 30.4.88 fand in der Neckargartacher Neckarhalle die Vor-Premiere von „Chaos Regional“ statt.
Informationen über die GAUwahnen bieten auch die Bücher von Erhard Jöst.
Heinz-Verlag, Stuttgart:
- GAUerkundung (1990)
- „Steinerweichend schlecht“. Ein Kabarett unter der Presse (1992)
- Kultus und Spott. Provinzpossen und Schulsatiren (1997)
AOL-Verlag, Lichtenau
- Ich giere nach Satire, 2. Aufl. 2001 (AOL-Verlag, Lichtenau)
Print & Media Offenburg
- Mützen am Baum. Gedichte und Geschichte(n). 2007, ISBN: 3-936128-13-8
- Friedenskämpfe. Geschichten und Gedichte, 2006, ISBN: 3-9810973-0-0
Die in den letztgenannten Büchern enthaltenen Gedichte erzeugen beim Leser häufig Heiterkeit, aber auch Nachdenklichkeit. Wenn es um die Politik geht, sind sie öfters polemisch, zuweilen auch mit einem ironischen Unterton, manchmal mit einer Brise Sarkasmus versehen, machen betroffen oder reizen zum Lachen, bieten jedenfalls ein unterhaltsames Lesevergnügen. In den lyrischen Erinnerungen schwingt Wehmut mit darüber, dass die Jugendträume nicht in Erfüllung gegangen sind: „Noch war die Sicht nicht zugebaut: / Vor dem Fenster lag das Feld / Und mit erwartungsvollen Augen / Erschaute ich mir meine Welt, / Die nach einem verlornen Krieg / Sich nach dem ewigen Frieden sehnte, / Doch ihren Vorsatz bald vergaß, / Als wieder falsch Fanal ertönte.“ Die Illusionen sind verflogen, es „blieben nur salzige Tränen.“ Aber auch in „fragenreicher Zeit“ lautet die Botschaft: Keine Resignation! Es wird auf die Hoffnung gesetzt und auf die Forderung: „Lebe deinen Traum!“ Die Gedichte reflektieren Vorgänge und schildern pointiert lustige Situationen. Viele sind in Liedform zum Einsatz im Kabarett geschrieben. „Staatsaktion nach satirischer Hymne“ – unter dieser Überschrift berichtete etwa die „Südwestpresse“ über die Folgen eines Gedichts. Erhard Jöst hatte gewagt, die inoffizielle Landeshymne von Baden-Württemberg zu persiflieren, wodurch ein Minister in Stuttgart die Landesverfassung bedroht sah und eine Personenüberprüfung anordnete. Dieser Vorgang geschah tatsächlich, er ist keine erfundene Satire. Der Stein des Anstoßes, Jösts Landeshymne, ist hingegen Satire – oder vielleicht auch nicht? Der Leser kann sich selbst ein Urteil bilden, denn auch diesen folgenreiche Text findet er unter den in „Mützen am Baum“ veröffentlichten Gedichten. Insofern ist das Buch auch ein Beitrag zum baden-württembergischen Landesjubiläum.
Jösts Geschichten vermitteln Einblicke in deutsche Geschichte: Mit Portraitskizzen werden Persönlichkeiten gewürdigt, in kurzen Prosatexten werden persönliche Erlebnisse berichtet und historische Ereignisse gegen den Strich gebürstet. Die Erlebnisse und politischen Zeiterscheinungen werden teils dokumentarisch, teils literarisch in Kalender-Geschichten präsentiert. So entsteht ein facettenreicher Bilderbogen mit Momentaufnahmen vom Mittelalter bis zur Gegenwart: „Mützen am Baum“ – ein amüsantes und denk-anstößiges Buch.
Mehrere Artikel in der Zeitschrift „Die Pointe“.
Vgl. außerdem: Kulturkatalog der Stadt Heilbronn.